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Geschichte der Residenz der Fürsten von Anhalt-Zerbst

Ursprünglich befand sich an der Stelle des Schlosses eine slawische Wasserburg. Im Jahre 1196 wird erstmals eine Burg urkundlich erwähnt. Die Anlage bestand aus einer Vorburg und der Hauptburg, umgeben von Bastionen und einem Wassergraben, der von einem Arm der Nuthe gespeist wurde. Während dieser Zeit gehörte auch der spätere Glockenturm der St. Bartholomäikirche zu den Sicherungsanlagen. Im Jahre 1215 ist eine Kapelle in der Burg erwähnt. Ein in der Mitte der Anlage befindlicher Turm, der "Sidicum" (Sieh dich um), ermöglichte es, Feinde schon in der Ferne zu entdecken. Im Laufe der Jahrhunderte erfolgten ständig Um- und Neubauten. Die einzelnen Häuser wurden unter den fürstlichen Brüdern aufgeteilt. Eine zweite Trennung der Burggebäude fand 1520 statt. Jeder Fürst besaß ein eigenes Haus, so Wolfgang (1508-1552), Johann (1516-1551), Georg (1516-1553) und Joachim (1516-1561).

Die Bauten gruppierten sich um einen kreisrunden Hof. In der Mitte befand sich neben dem erwähnten Turm ein Brunnen, der allen Burgbewohnern zur Verfügung stand. Die Festung, umgeben von schlichten Gärten, besaß zwei Ausgänge mit je einer Zugbrücke in Richtung Schlossfreiheit und Käsperstraße. Bereits im Jahre 1603 waren die Burggebäude recht baufällig und mussten mit relativ großem Aufwand ausgebessert werden. Unter der Regierung des Fürsten Rudolf (1576-1621) entstanden kleinere Neubauten, 1618 wurde der hohe Turm abgetragen. Eine erste Ansicht der Burganlage vermittelt eine Stadtansicht von Merian um 1650. Die im Dreißigjährigen Krieg stark vernachlässigten Häuser der Burg wiesen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts große Schäden auf und waren teilweise unbewohnbar. Die schlechten baulichen Zustände, die nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprechenden Renaissancegebäude, das gewachsene Repräsentationsbedürfnis und die sich allmählich bessernde wirtschaftliche Situation ließen den Plan für einen Neubau reifen.

  Burganlage um 1650 Burganlage um 1650 (Stich aus Merian)

Fürst Carl Wilhelm (1652-1718), ein guter Kenner der niederländischen Verhältnisse, regierte seit 1674 selbständig in Anhalt-Zerbst. Der Entwurf, dem die neue barocke Dreiflügelanlage zu Grunde lag, stammte von dem niederländischen Baumeister und Ingenieur Cornelis Ryckwaert, der in den Diensten des brandenburgischen Kurfürsten stand. Mit ihm hielten holländische Einflüsse auf allen Lebensgebieten in Zerbst Einzug. Für die Errichtung des Residenzschlosses wurden die nördlichen Teile der Burganlage abgetragen und das dort gewonnene Material für die Fundamente des Neubaus genutzt. Am 31. Mai 1681 legte Fürst Carl Wilhelm den Grundstein zum Corps de logis des Schlosses. Ryckwaert und auch sein Sohn Adriaen Daniel, der in die Fußstapfen des Vaters getreten war, leiteten den Schlossbau zeitweise persönlich. Die Bauaufsicht führte Johann Georg von Marwitz. Das Corps de logis war 1689 im Rohbau vollendet. Den inneren Ausbau übernahm der Schweizer Baumeister und Stukkateur Giovanni Simonetti. Er schuf Räume mit prächtigen barocken Stuckdecken und schönen Kaminen. Nach dem Ableben Ryckwaerts übernahm Simonetti auch die Bauleitung und wurde 1694 zum fürstlichen Baumeister ernannt. Der Haupttrakt war Ostern 1696 fertiggestellt. Am 23. Juni des Jahres, dem Geburtstag der Fürstin Sophia, fand der offizielle Einzug und die feierliche Einweihung des Corps de logis statt. Die Gesamtausgaben für den Schlossbau von 1681 bis 1696 betrugen etwa 57.000 Taler. Das Bauvorhaben brachte einen enormen Aufschwung für Handwerk und Handel in Anhalt-Zerbst.

Schlosskapelle (Westflügel) Schlosskapelle (Westflügel)  

Der fürstliche Hof nutzte nach wie vor die Hof- und Stiftskirche zu St. Bartholomäi für Gottesdienste und andere kirchliche Anlässe. Es bestand jedoch der Wunsch nach einer eigenen Kapelle im Schloss. Nachdem die Einnahmen des Landes, auch durch Erträge aus dem seit 1667 zu Anhalt-Zerbst gehörenden Jever, die Grenze von 100.000 Talern überschritten hatten, war ein Neubau möglich. Der Hofbaumeister Giovanni Simonetti führte den Westflügel in Anlehnung an den Ryckwaertschen Plan aus. Der Grundstein zum neuen Trakt wurde am 16. April 1703 gelegt. Der Westflügel war 1706 im Rohbau und um 1715 im Innern, bis auf die Schlosskapelle, vollendet. Der Ausbau der Kapelle erfolgte erst ab 1717. Die feierliche Einweihung des prächtigen Raumes fand am 18. Oktober 1719 statt, dem Geburtstag der Fürstin Hedwig Friederike.
Die unter der Schlosskapelle gelegene fürstliche Gruft war als solche ursprünglich nicht konzipiert. Erst nach dem frühem Ableben der Prinzessin Friederike (1675-1709) erfolgte die Anlage eines Erbbegräbnisses, das 1713 fertiggestellt war. Die Gruft bestand aus drei Kammern und einem Nebengewölbe. Insgesamt befanden sich dort bis zur Zerstörung 24 Särge von Mitgliedern des fürstlichen Hauses Anhalt-Zerbst.

In der dritten Bauperiode ab 1721 wurde der südliche Mittelrisalit des Corps de logis zu einem Turm ausgebaut. Den Auftrag erteilte Fürst Johann August (1677-1742), die Pläne dazu schuf der aus Sachsen-Weißenfels stammende Baumeister Johann Christoph Schütze, der ab 1722 Hofbaumeister in Zerbst war. Der 1725 vollendete Turm beherrschte von nun an die Schlossanlage. Der obere Teil brannte 1881 ab, wurde aber originalgetreu wiederhergestellt. Schütze erweiterte ab 1736 den Westflügel um einen Pavillonanbau nach Süden. Der Gebäudetrakt war 1738 im Rohbau und 1743 im Innern vollendet. Im obersten Geschoss befand sich das Appartement des Fürsten, der die Fertigstellung jedoch nicht mehr erlebte.

Unter den Fürsten Johann Ludwig (1688-1746) und Christian August (1690-1747) erfolgte die Auftragserteilung zur Vollendung der Schlossanlage. Bereits 1743 begannen die Arbeiten mit dem Abbruch der im südlichen Bereich noch bestehenden alten Burggebäude. Die feierliche Grundsteinlegung zum Ostflügel erfolgte am 13. Juni 1744. Die Bauleitung hatte der preußische Baukondukteur Johann Friedrich Friedel, ein Mitarbeiter des genialen Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Der Rohbau war in kürzester Bauzeit im Jahre 1746 fertiggestellt. Gleich darauf begann der innere Ausbau im Stil des friderizianischen Rokokos. Nach dem Tode der beiden Regenten führte die Fürstin-Witwe Johanna Elisabeth (1712-1760), die vormundschaftlich für ihren Sohn Friedrich August regierte, den Bau weiter. Der letzte Fürst von Anhalt-Zerbst, Friedrich August (1734-1793), übernahm 1752 die Landesregierung. Doch Glück hatte er weder in der Regentschaft, noch in seinen beiden Ehen. Diplomatische Verwicklungen mit dem Preußenkönig Friedrich II. zwangen ihn und seine Mutter 1758 zur Flucht. Damit kamen die Bauvorhaben am Schloss zum Erliegen.

Das zweite Obergeschoss des Ostflügels blieb unvollendet und wurde erst im Zuge der Einrichtung des Schlossmuseums ausgebaut. Das äußere Erscheinungsbild der gesamten Schlossanlage war vom Barock geprägt, während sich im Innern des Ostflügels das friderizianische Rokoko mit seinen filigranen und verspielten Formen und Rocaillen entfaltete. Der Berliner Bildhauer Johann Michael Hoppenhaupt d. Ä., der auch die Schlösser Friedrichs des Großen ausstattete, schuf einen bedeutenden Teil der wertvollen Innendekorationen, darunter das prächtige Zedernkabinett. Die Zerbster Fürsten hatten sich mit dem barocken Residenzschloss ein kleines Versailles geschaffen.
Mit Erlöschen des Zerbster Fürstenhauses 1793 fiel das Schloss der Linie Anhalt-Dessau durch Losentscheid zu. Nur äußerst selten hielt sich ein Mitglied der Dessauer Herrscherfamilie in Zerbst auf. Im Jahre 1872 wurde das "Herzogliche Haus- und Staatsarchiv" im Erdgeschoss des Corps de logis eingerichtet.

  Schlosskomplex vor der Zerstörung Schlosskomplex vor der Zerstörung

Nach der Abdankung des Herzoghauses 1918 wurde eine Kulturstiftung, die Joachim-Ernst-Stiftung, gegründet, von der neben anderen Schlössern auch das Zerbster ohne Einrichtung zum Zwecke des Aufbaus eines Landesmuseums übernommen wurde. Das Schlossmuseum konnte im Jahre 1921 mit den Abteilungen Kunst- und Kulturgeschichte Anhalts sowie den naturwissenschaftlichen und vorgeschichtlichen Sammlungen eröffnet werden. Neben dem Museum mit fast 80 Ausstellungsräumen befanden sich das Anhaltische Staatsarchiv, das Zerbster Stadtarchiv, das Finanzamt und andere städtische Institutionen im Schloss.

Schloss nach der Zerstörung Schloss nach der Zerstörung  

Am 16. April 1945 wurde das Residenzschloss durch Bomben schwer getroffen und brannte vollständig aus. Die nicht ausgelagerten wertvollen Bestände der Archive und die Ausstellungsgegenstände des Museums gingen durch Zerstörung und anschließende Plünderungen fast völlig verloren. Trotz der schweren Verwüstungen imponierte das Schloss noch immer durch seine gewaltigen Ausmaße. Im Dezember 1947 erfolgte die Übereignung des Schlossgartens inklusive Schlossruine an die Stadt Zerbst. Die Zuständigen der Stadtverwaltung gingen sofort an die endgültige Vernichtung der barocken Dreiflügelanlage, obwohl eine Sicherung der Ruine einen späteren Aufbau ermöglicht hätte. Doch die Anordnung der Sprengung war eine politische Entscheidung, kunsthistorische Argumente zählten nicht. Somit brach eine zweite Vernichtungswelle über Zerbst herein.

Mit dem sinnlosen Abbruch des Corps de logis und des Westflügels wurde die überregional bedeutende Gesamtanlage vernichtet. Nur der Ostflügel lässt noch einen Hauch von der einstigen Pracht des Zerbster Residenzschlosses erahnen. Seit dem Jahr 2003 setzt sich der Förderverein Schloss Zerbst e. V. aktiv für den Erhalt und die Neunutzung des Gebäudes ein.

Dirk Herrmann


Bauphasen
Bauphasen des Barockschloss
(Rekonstruktion von Dirk Herrmann)


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