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Die fünf Küchen im Zerbster Schloss

Der Glanz des Zerbster Hofes hatte in der Barockzeit seinen Höhepunkt gefunden. Kunst und Kultur waren zu höchster Blüte gekommen. Äußerer Ausdruck davon sowie von der Visualisierung des Machtanspruchs und der Stellung der Fürsten von Anhalt-Zerbst war die barocke Residenz. In fünf Bauphasen entstand ein imposanter, von einem eindrucksvollen Garten umgebener Baukörper, der im mitteldeutschen Raum seinesgleichen suchte. Er war gleichzeitig fürstlicher Wohn- und Regierungssitz.

Dem Hofstaat gehörten eine Vielzahl Beamter und Bediensteter an - angefangen vom Hofmarschall und Rat bis hin zum Fensterputzer und Ofenheizer. Sie waren einerseits in die Regierungsgeschäfte involviert und mit der Organisation des Hofes betraut, andererseits für die Versorgung der fürstlichen Familie zuständig. Doch nur die Kammerdiener und Hofdamen sowie Lakaien - das Servicepersonal - wohnten auch im Schloss, da sie jederzeit zur Verfügung stehen mussten. Alle diese Personen und die am Hof Anwesenden hatten das Recht, kostenlos aus der Schlossküche verköstigt zu werden. Somit mussten täglich viele, dem jeweiligen Stand entsprechende Speisen zubereitet werden.

  Küche im Haupttrakt Herd mit Rauchabzug und Warmhalteplatte (rechts) sowie Brunnen (hinten) im Souterrain des Haupttraktes
Ein besonders umfangreiches Pensum hatte die Küche zu leisten, wenn Gäste am Hof weilten bzw. Feste gegeben wurden. Das strenge Hofzeremoniell legte detailliert fest, wann die Speisen aufgetragen und in welcher Reihenfolge die Anwesenden bedient werden mussten - eine enorme Herausforderung an das Küchenpersonal und die Bedienenden. Bei Fehlern, die bei Anwesenheit hoher Gäste weitreichende Folgen für das Fürstenhaus haben konnte, mussten die Betroffenen mit ernsten Konsequenzen rechnen.

Für die Deckung der hohen, vielschichtigen Ansprüche waren mehrere Küchen im Schloss notwendig. Zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurden in der fürstlichen Residenz vier, vielleicht sogar fünf Küchen gleichzeitig betrieben. Jeder Komplex ordnete sich einem bestimmten Schlossbereich zu. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass beim "normalen" täglichen Hofbetrieb lediglich eine große und eine kleine Küche genutzt wurden. Nur große Festivitäten, bei denen viele Personen gleichzeitig verköstigt werden mussten, erforderten den Betrieb aller Zubereitungsstätten für Speisen.

Grundsätzlich lassen sich in Zerbst zwei Typen von Küchen unterscheiden:
a) Einzelne Räume, die vorrangig zur Herstellung kleinster Mahlzeiten und warmer Getränke sowie zum Warmhalten von Speisen dienten und
b) große, aus mehreren Räumen bestehende Küchenbereiche zur Zubereitung umfangreicher Menüs zur Verköstigung vieler Personen.
Das Zerbster Schloss wies zwei Küchen von der ersten Kategorie auf und drei von der zweiten.

Zur Verhinderung von Bränden, die schon so manches Schloss vernichtet hatten, lagen die Küchen vorrangig im Souterrain. Durch steingewölbte Decken und in Stein ausgeführte Treppen hatte Feuer im Fall des Falles kaum eine Chance, auf die Obergeschosse überzugreifen. Auch die freie Zugänglichkeit der Kellergeschosse durch separate Türen auf den Gartenseiten der drei Schlossflügel stellte einen Vorteil dar. Außerdem kam es kaum zu Geruchsbelästigungen in den fürstlichen Appartements und Gästezimmern.

Küche I: Haupttrakt, Ostbereich, Kellergeschoss und Parterre
Schon im ersten, ab 1681 errichteten Flügel der barocken Residenz wurde eine Küche eingerichtet. Sie diente vorrangig der Zubereitung von Speisen für die fürstliche Familie und Gäste des Hofes, insbesondere wenn Festivitäten stattfanden. Der aus den fortschrittlichen Niederlanden stammende Baumeister und Ingenieur Cornelis Ryckwaert hatte diese zielgerichtet in den östlichen Bereich des Keller- und Erdgeschosses integriert. Der Komplex umfasste stolze 13 Räume und war, auch als die anderen Küchen vollendet waren, der größte im ganzen Schloss. Folgende Räume gehörten dazu: Kabinett des Küchenmeisters, Kabinett des Küchenschreibers, Stube der Köche, Küchenstube, Küche, Vorratsgewölbe, Fleischgewölbe, Rauchkammer, Backkammer und Scheuergewölbe sowie die Hofkonditorei mit Küche, Konditoreistube und Konditoreikammer. Damit waren die besten Voraussetzungen gegeben, um den fürstlichen Hof optimal zu versorgen.
Nach Auswertung der erhaltenen Originalquellen konnte der Komplex im östlichen Bereich des Haupttraktes lokalisiert werden. Wo sich die genannten Räume im Detail befanden, ist jedoch nicht mehr feststellbar. Im heute noch existierenden Teil - ein Fünftel des mittleren Schlossflügels entging der Sprengung nach 1945 - sind noch verschiedene Anhaltspunkte auf die Existenz des Komplexes zu finden. Ein gemauerter Herd mit sandsteinerner Warmhalteplatte und riesigem Rauchfang ist imposantes Zeugnis vom einstigen emsigen Kochen im Schloss. Der noch immer verrußte Abzug, in dem damals auch Fleisch geräuchert wurde, führte durch die starken Innenmauern bis zum Dach, um schließlich in einem der vier großen Schornsteine zu münden.[1]
Über eine unmittelbar in dieser Küche beginnende, in die Obergeschosse führende Treppe konnten die Speisen schnell und damit relativ warm serviert werden. Diese im unteren Teil noch immer existierende Dienerschaftsstiege lag im Innern des Schlossflügels, so dass die Lakaien "unbemerkt" ihren Dienst verrichten konnten. In einem Gewölbe unter dieser Treppe, das dem Herd genau gegenüber liegt, konnte das benötigte Brennholz trocken und immer griffbereit gelagert werden. Eine direkt neben dem Herd befindliche große Öffnung mit eiserner Klappe lässt einen von hinten zu beschickenden Ofen, vielleicht einen Backofen, im östlich angrenzenden, heute fast völlig zerstörten Raum vermuten. Ein weiterer großzügig dimensionierter Rauchabzug oberhalb der beschriebenen Küche deutet darauf hin, dass sich auch in dem angrenzenden, heute nicht mehr existenten und mit Erde bzw. Schutt aufgefüllten Kellerraum des Haupttraktes ein Ofen bzw. Herd befunden hat. Der Schornstein, der quer mit einem Gefälle durch die obere Kammer verläuft und in den großen Schlot des genannten Herdes mündet, liegt seit der Zerstörung offen. Eine heute zugemauerte Tür stellte einst die direkte Verbindung zwischen beiden Räumen her.
Im Gewölbe mit dem noch existenten Herd wurde im Jahr 2006 im Rahmen von Aufräum- und Sicherungsarbeiten durch den Förderverein Schloss Zerbst e. V. ein völlig verschütteter Brunnen wiederentdeckt. Dem Aushub nach zu urteilen war dieser vermutlich noch bis zum Ende der herzoglichen Zeit in Betrieb. Der Brunnen unmittelbar in der Schlossküche garantierte jederzeit frisches Wasser zum Kochen und Spülen. Es wurde mittels einer Pumpe nach oben befördert. Der leicht ovalen Form des mit klosterformatigen Steinen gemauerten Brunnenschachtes nach zu urteilen, dürfte er bereits Ende des 17. Jahrhunderts mit der Errichtung des Haupttraktes des Schlosses entstanden sein. Heute endet der Schacht nach etwa drei Metern Tiefe. Weiter unten befand sich vermutlich eine Holzkonstruktion mit Einlaufstellen, die nach der starken Absenkung des Wasserspiegels im 20. Jahrhundert vermoderte und nicht mehr existiert.
Die Verlegung einer Wasserleitung zum Schloss im Jahr 1732 verbesserte die Wasserqualität und erleichterte den Angestellten die Arbeit. Der Zerbster Hofbaumeister Johann Christoph Schütze hatte die fast anderthalb Kilometer lange Leitung konzipiert. Sie bestand aus hohlen, unterirdisch verlegten Baumstämmen. Das Wasser gelangte so von einer Quelle vor dem Breite-Straßen-Tor direkt bis in die Schlossküche.
Die Küche im Haupttrakt verlor im Lauf des 18. Jahrhunderts an Bedeutung. Offensichtlich wurden nun den damals "moderneren" Komplexen im West- und Ostflügel der Vorzug gegeben. Nur die Silberkammer und das Silbergewölbe [2], die der Aufbewahrung von Servicen und anderen Dingen für die Hoftafel dienten, blieben weiterhin in Nutzung. Im 19. Jahrhundert, als das Schloss nur noch sporadisch Angehörige der Herzogsfamilie aus Dessau aufnahm, wurde die Küche offensichtlich nochmals renoviert und reaktiviert. Davon zeugen noch heute Fragmente der Kachelung des Fußbodens. Ursprünglich befanden sich hier, etwas tiefer gelegen, grün glasierte Kacheln.[3] Die Küche war vermutlich bis zur Abdankung des herzoglichen Hauses zeitweise in Betrieb.
Im Haupttrakt des Schlosses befand sich vermutlich noch eine weitere Küche, die aber nicht näher identifizierbar ist. Der kleine schlichte Nebenraum ohne Fenster lag innerhalb der Gästesuite im westlichen Teil des ersten Obergeschosses. Auf die Nutzung als Küche deutet ein in alten Grundrissen eingezeichnetes, gemauertes Podest, das bis 1945 erhalten war. Dabei könnte es sich um eine Feuerstelle gehandelt haben.[4] Allerdings diente diese kleine Küche ausschließlich der Zubereitung heißer Getränke, einfacher Gerichte bzw. zum Warmhalten von Speisen für fürstliche Gäste.

Küche II: Westflügel, Nordbereich, Kellergeschoss
Mit der Errichtung des westlichen Schlosstraktes ab 1703 nach Entwürfen des Baumeisters Giovanni Simonetti wurde auch eine neue Küche installiert. Sie lag im Souterrain zwischen Mittelrisalit und Haupttrakt. Der Zugang von Außen erfolgte in der Regel über das große mittlere Portal auf der Gartenseite. Die angerichteten Speisen wurden über die Haupttreppe im Mittelrisalit bis ins erste Obergeschoss, der fürstlichen Etage, transportiert. Dort befand sich das fein dekorierte Tafelgemach (Kirchsaal), in dem sich die fürstliche Familie zum Essen traf. Im direkt angrenzenden, kleineren Tafelzimmer speiste der Hofadel. Die relativ kurzen Wege ermöglichten eine weitgehend optimale, dem Hofzeremoniell entsprechende Bedienung und Bewirtung.
Der Komplex im Keller umfasste neben dem großen Küchengewölbe auch eine Konditorei. Diese Kombination gewährleistete die Herstellung aller erdenklichen Gerichte. Zur Verköstigung der Pagen diente eine direkt angrenzende Speisestube.
Die Küche ging spätestens 1715 in Nutzung. Ob sie nach der Einrichtung eines größeren Küchenkomplexes im Pavillon des Westflügels noch betrieben wurde, konnte bisher nicht ermittelt werden. Es ist aber wahrscheinlich, dass mindestens die Dienerschaft für einige Zeit weiter von dieser Küche versorgt wurde.

Küche III: Westflügel, Mittelbereich, zweites Obergeschoss
Der Westflügel nahm noch eine weitere kleine Küche auf, die sich im zweiten Obergeschoss befand. Das annähernd quadratische Zimmer hatte nur ein Fenster in Richtung Marstall und lag unmittelbar im Bereich hinter dem mittleren Treppenhaus. Der Zugang erfolgte über die Kammerjungfernstube auf der einen Seite bzw. ein Kabinett, das vermutlich ebenso der Dienerschaft vorbehalten war, auf der anderen Seite.
Die Raumbezeichnung "Kaffeeküche" verrät bereits die spezielle Funktion: das Herstellen des in der Barockzeit überaus kostbaren Kaffees. Vermutlich wurde auch die nicht minder wertvolle Trinkschokolade zubereitet. Der Genuss dieser Luxusgetränke blieb natürlich der fürstlichen Familie und hohen Gästen des Hofes vorbehalten.
Zum Ausgang des 18. Jahrhunderts wies nur noch der Name des Zimmers auf seine ehemalige Funktion hin.

Küche IV: Westflügel, Südbereich (Pavillon), Kellergeschoss
Im Rahmen der vierten Bauphase, die 1736 begann, ließ der Regent Johann August den Westflügel nach Süden um einen Pavillonanbau erweitern. Planender und ausführender Baumeister war Johann Christoph Schütze. Das Kellergeschoss dieses quadratischen Baukörpers von fünf zu fünf Fensterachsen nahm den neuen Küchenkomplex inklusive Vorratskammern auf. Dieser ging wohl um 1743 in Betrieb und löste vermutlich den im Haupttrakt befindlichen weitestgehend ab.
Der Küchenbereich umfasste insgesamt acht Räume. Der offene Herd mit großem Abzug befand sich im südöstlichen Eckraum. Hier wurden die verschiedensten Speisen gekocht. In eine nach Norden angrenzende Nische war ein weiterer, jedoch kleinerer Herd integriert, der vermutlich zur Herstellung von Backwaren und Pasteten diente. Der größte Raum des Küchenareals lag im südlichen Bereich und hatte drei Kellerfenster. Darin wurden die Speisen vorbereitet und angerichtet. Ein großer gemauerter Bogen fing die Lasten der darüber gelegenen Bereiche ab, so dass die Küche und der Kochbereich ohne Trennwand direkt miteinander verbunden waren. Zur Planung der Menüs, Auflistung und Organisation der benötigten Zutaten sowie zum Aufenthalt der Hofköche diente eine Küchenstube. Dieser in der Südwestecke des Pavillonkellers gelegene Raum wurde über ein Fenster der Gartenfassade des Schlosses erhellt. Zwei miteinander verbundene Gewölbe an der Hofseite sowie drei weitere im nordwestlichen Bereich des Pavillons dienten der Lagerung verschiedenster Vorräte und der Unterbringung von Küchengerätschaften. Insbesondere für die Aufbewahrung von Obst, Gemüse, Fleisch und anderen Lebensmitteln waren die konstant kalten Temperaturen in den Kellergewölben im "kühlschranklosen Zeitalter" bestens geeignet. Für besonders zu kühlende Frischwaren sowie Gerichte und Getränke kam auf dem Schlossteich gebrochenes Eis zum Einsatz, das in der warmen Jahreszeit im Eiskeller unter dem "Teehäuschen" im Schlossgarten lagerte.
Die Köche und das weitere Personal gelangten über einen separaten Zugang an der Gartenseite des Westflügels direkt in den Küchenkomplex. Durch diese Nebentür transportierten die Mägde auch die Vorräte ins Schloss. Die angerichteten Speisen wurden über eine kleine Nebentreppe, die in den Eingangsbereich des Westtraktes im Bereich des südlichen Hofportals mündete, und von dort weiter bis in die oberen Etagen transportiert. Im ersten und zweiten Obergeschoss lag je ein fürstliches Appartement.
Da diese beiden Suiten jedoch nur wenige Jahre bewohnt waren, dürfte auch die Küche schnell wieder an Bedeutung verloren haben. Durch die separierte Lage - keine Zugänge zu den anderen Kellerräumen des Westflügels durch die in sich geschlossene fürstliche Gruft sowie das Erd- bzw. erste Obergeschoss durch die über zwei Etagen reichende Kapelle - hätte sich der Transport von Speisen in andere Schlossbereiche über den Korridor im zweiten Obergeschoss bzw. den Schlosshof sehr schwierig und zu aufwändig gestaltet.

Küche V: Ostflügel, Nordbereich, unteres und oberes Kellergeschoss
Die jüngste Küche des Schlosses befand sich im Ostflügel. Der Entwerfer dieses ab 1744 errichteten Traktes, der Baukondukteur Johann Friedrich Friedel, hatte in seinen Planungen keinen Küchenbereich im neuen Gebäudeteil vorgesehen. Da die einzurichtenden Appartements auch Zimmer im alten Haupttrakt umfassten, die teilweise im Stil des Rokoko umgestaltet wurden, ist davon auszugehen, dass die im dortigen Keller schon existierende Küche weiter betrieben bzw. nur modernisiert werden sollte.
Mit dem Tod von vier Mitgliedern der fürstlichen Familie innerhalb von nur zwei Jahren änderte sich die Situation am Zerbster Hof jedoch entscheidend.[5] Es bestand ein wesentlich geringerer Bedarf an Suiten im Schloss. Auch der innere Ausbau des östlichen Flügels kam partiell zum Erliegen. Erst mit der Übernahme der Regierung durch Fürst Friedrich August im Jahr 1752 und den Planungen zu seiner Vermählung ein Jahr später gelang die Fertigstellung der Zimmer.
In diesem Zusammenhang entstand 1751/52 auch ein neuer Küchenkomplex im oberen Keller des Ostflügels. Neben der eigentlichen Küche gehörte auch eine Konditorei dazu. Maurer- und Zimmerleute bauten die gewölbten Räume aus, der Maler Egeling versah sie mit einem Anstrich. Für Metallarbeiten zeichnete der Hofklempner Ulfert verantwortlich, so z. B. für den Rauchabzug oberhalb des sogenannten Castrol-Herdes. Der Töpfer Helmberg stellte drei Öfen in diesem Küchenbereich her, der sich nördlich des Haupttreppenhauses befand. Tische und Schränke zur Ausstattung stammten vom Tischler Mickan. Einen Wasseranschluss, vermutlich ebenfalls von der Quelle vor dem Breite-Straßen-Tor kommend, erhielt die Küche erst 1758.
Neben den aus zwei großen Gewölben bestehenden, durch zwei große Rundbögen direkt miteinander verbundenen Küchen existierten noch eine Küchenstube, eine Konditorei, eine Silberkammer und ein Fleischgewölbe.
In dem zum Schlosshof gelegenen, mit Sandsteinplatten ausgelegten Küchengewölbe war ein großer Bratenwender aus Eisen installiert. Mittels dieser ausgeklügelten Einrichtung konnten große Fleischstücke und sogar ganze Tiere vor offenem Feuer gegart werden. Eine mechanische Einrichtung garantierte das automatische, permanente Wenden des Bratens, so dass nichts anbrennen konnte. Einer von zwei weiteren, aber kleineren Bratenwendern hatte fünf Spieße, auf denen z. B. fünf Hühnchen gleichzeitig zubereitet werden konnten. Die verrußte Wand und der später in das gemauerte Gewölbe eingebrochene Rauchabzug sind noch heute zu sehen.
Das zweite Küchengewölbe auf der Gartenseite des Ostflügels besaß zwei größere Fenster und einen langgestreckten, gemauerten Herd, der fast die gesamte Nordwand einnahm. Dieser sogenannte Castrol-Herd wurde von unten befeuert, obenauf standen die Kochtöpfe. Die Befestigungsstellen des Rauchfangs und der nachträglich eingebaute Abzug sind noch immer deutlich erkennbar.
Die Küche war im ausgehenden 18. Jahrhundert noch gut ausgestattet und dürfte zeitweise weiterhin ihren Dienst getan haben. Die beiden Rauchabzüge wurden vermutlich erst im späten 19. bzw. beginnenden 20. Jahrhundert vermauert.
Eine in der fürstlichen Etage des Ostflügels von Friedel geplante kleine Küche wurde durch den frühen Tod von Fürst Christian August und daraus resultierenden Planänderungen nicht realisiert.
Für die Lagerung von Vorräten wurden vorrangig Gewölbe im unteren Kellergeschoss des Ostflügels genutzt, in denen noch heute konstant kühle Temperaturen herrschen. Neben verschiedenen anderen Lagerräumen gab es einen Weinkeller, einen Bierkeller und ein Fleischgewölbe. Ein im nordöstlichen Bereich gelegener Raum weist noch heute große Haken auf, an denen einst Wildbret abhing, bevor es in der darüber gelegenen Küche verarbeitet wurde.

Drei der fünf Küchen des Zerbster Schlosses sind mit seiner Zerstörung 1945 und dem sich anschließenden Abbruch des Westflügels und vier Fünftel des Haupttraktes gänzlich verloren gegangen. Die Reste von zwei Küchenkomplexen, die im Rahmen von Sonderführungen durch den Förderverein Schloss Zerbst e. V. zu besichtigen sind, lassen noch erahnen, auf welch hohem Niveau auch die Esskultur am Zerbster Hof stand.

Dirk Herrmann

In: Zerbster Heimatkalender 2008, Seite 80—90


[1] Die Dreiflügelanlage besaß ursprünglich nur zwölf riesige Schornsteine. Da die Mauern durch die großen Öffnungen Schaden nahmen, wurden die Züge um 1842 umgebaut. Bis zur Zerstörung wies das Dach insgesamt 78 kleine Schornsteine auf.
[2] Die überaus reichhaltigen und vielgestaltigen Bestände der Wiener Hofburg, die vom silbernen und porzellanenen Tafelgeschirr über kostbarste vergoldete Tafelaufsätze bis hin zu bestickten Servietten reichen, sind ein eindrucksvolles Beispiel einer Hoftafel- und Silberkammer.
[3] Ein Stück einer grünen Kachel aus dieser Küche, das vermutlich noch aus dem ausgehenden 17. Jahrhundert stammt, ist in einem der Ausstellungsräume im Schloss zu sehen.
[4] Im Rahmen des historischen Schlossmuseums war in diesem kleinen Raum ein Apothekenzimmer mit Objekten aus dem 18. und 19. Jahrhundert eingerichtet. Auf der vermeintlichen, auf einer Abbildung sichtbaren Feuerstelle lagen ein Blasebalg und andere Objekte, die auf eine adäquate Nutzung in früheren Zeiten hinweisen.
[5] Prinzessin Elisabeth (+1745), Fürst Johann Ludwig (+1746), Fürst Christian August (+1747), Prinzessin Sophia Christina (+1747)

Literatur:
Gabriele Praschl-Bichler: Alltag im Barock, Graz/Wien/Köln 1995
B. Michael Andressen: Barocke Tafelfreuden an Europas Höfen, Stuttgart/Zürich 1996
Ilsebill Barta-Fliedl, Andreas Gugler, Peter Parenzan (Hg.): Tafeln bei Hofe - Zur Geschichte der fürstlichen Tafelkultur, Hamburg 1998
Hans Ottomeyer, Michaela Völkel (Hg.): Die öffentliche Tafel - Tafelzeremoniell in Europa 1300-1900, Berlin 2003
Dirk Herrmann: Schloss Zerbst in Anhalt - Geschichte und Beschreibung einer vernichteten Residenz, Regensburg 2005


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