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Johann Ludwig (II.)
Oberlanddrost zu Jever und Regent von Anhalt-Zerbst

Fürst Johann Ludwig (II.) entstammte der Nebenlinie Anhalt-Zerbst-Dornburg, die sein gleichnamiger Vater 1698 begründete. Der Stammsitz dieses Geschlechtes war, wie der Adelstitel bereits ausdrückt, Dornburg an der Elbe.
Johann Ludwig kam am 23. Juni 1688 als erstes von insgesamt sieben Kindern im Schloss Dornburg zur Welt. Zur damaligen Zeit existierte dort ein Renaissanceschloss, das sich aus mehreren Einzelgebäuden zusammensetzte. Erst später wich die unmodern gewordene Anlage einem vom Zerbster Hofbaumeister Johann Christoph Schütze (1687-1765) geplanten Neubau, der von 1726 bis um 1738 währte. Dieses erste barocke Gebäude wurde 1750 durch einen Großbrand fast völlig zerstört. Das heutige großzügige Barockschloss entstand ab 1751 nach Plänen des in Zerbst geborenen Baumeisters und fürstlich nassau-saarbrückischen Generalbaudirektors Friedrich Joachim Stengel (1694-1787).
Johann Ludwigs Eltern, sein gleichnamiger Vater (1656-1704) und Christiane Eleonore von Zeutsch (1666-1699), hatten keine umfangreichen Regentpflichten zu erfüllen wie das in Zerbst regierende Fürstenpaar Carl Wilhelm (1652-1718), der ältere Bruder Johann Ludwigs (I.), und Sophia (1654-1724). So konnten sie sich intensiver um ihren zahlreichen Nachwuchs kümmern. Erziehung und Bildung des Prinzen und seiner jüngeren Geschwister lagen jedoch vorwiegend in den Händen von Hofangestellten. Mit dem nur zwei Jahre jüngeren Christian August (1690-1747) sollte er später die Regentschaft in Zerbst übernehmen.
1704 reiste der jugendliche Prinz nach Utrecht in die Vereinigten Niederlande. Für drei Jahre studierte er an der überregional bedeutenden Universität der Stadt. Jahre zuvor hatte bereits sein Cousin Johann August (1677-1742) an dieser Einrichtung seine Studien betrieben. Die Niederlande, die etliche Zerbster Prinzen besuchten, standen zur damaligen Zeit in höchster Blüte und waren Vorbild für sehr viele deutsche Fürstentümer.
Ab 1707, im Anschluss an sein Studium, besuchte Johann Ludwig mit seinen jüngeren Brüdern Johann August (1689-1709), Christian August (1690-1747) und Christian Ludwig (1691-1710) die Fürsten- und Ritterakademie in Berlin. An dieser Einrichtung konnte er sein Wissen auf verschiedensten Gebieten weiter vertiefen. Johann Ludwig war während seines Aufenthalts in Berlin regelmäßig Gast am preußischen Hof. Er traf häufig mit König Friedrich I. in Preußen (1657-1713) zusammen, der die Gesellschaft des Prinzen als sehr anregend und angenehm empfand. Die Studienzeit und sein Aufenthalt am königlich-preußischen Hof prägten ihn sehr. Während seine beiden Brüder in Berlin verblieben, kehrte er nach Zerbst zurück.
Schon kurze Zeit später führte ihn eine Studienreise erneut in die Niederlande. Auf dem Weg dorthin machte er in Hannover Station und weilte am kurfürstlichen Hof. Er wurde herzlich von Kurfürst Georg I. Ludwig (1660-1727), der 1714 König von Großbritannien wurde, und dessen Mutter Sofie (1630-1714) empfangen. In den Niederlanden besuchte er die bedeutendsten und sehenswertesten Städte. Im Jahr 1708 traf er in Den Haag den nahezu gleichaltrigen und erst 1706 zum König von Portugal gekrönten Johann V. (1689-1750) und machte ihm seine Aufwartung. Im folgenden Jahr besuchte er den englischen Hof, an dem Königin Anna (1665-1714) herrschte, und bereiste für einige Monate das Land. Dabei besichtigte er die herausragendsten Städte sowie die königlichen Schlösser und Gärten. Von dort kehrte er über den Kanal nach Utrecht zurück, das er von seinem mehrjährigen Studienaufenthalt bereits gut kannte. Sehr wahrscheinlich besuchte er dort Freunde und alte Bekannte.
Seine Tour führte ihn weiter über ein Schlachtfeld des Spanischen Erbfolgekrieges in den Spanischen Niederlanden, dem heutigen Belgien, bis nach Paris. Johann Ludwig war Gast am glanzvollen französischen Hof, der an Pracht seines Gleichen in Europa suchte. Zur damaligen Zeit herrschte noch immer der Sonnenkönig Ludwig XIV. (1638-1715) über Frankreich, der als barockes Herrscheridol galt und den etliche deutsche Fürsten nachzuahmen suchten. Doch sie erreichten seine Größe und Ausstrahlung nicht; viele stürzten durch überzogene Hofhaltungen und überdimensionierte Bauprojekte in den finanziellen Ruin. Johann Ludwig traf den König und weitere Mitglieder der Herrscherfamilie. Er nutzte die Gelegenheit und besichtigte neben Versaille auch andere, in der Nähe von Paris gelegene, prachtvolle Königsschlösser.
Die Pläne Johann Ludwigs sahen als nächstes Reiseziel Italien vor. Der Tod seines Bruders Christian Ludwig während eines Feldzugs in den Spanischen Niederlanden verhinderte jedoch die beabsichtigte Weiterfahrt. Er kehrte nach Zerbst zurück, wo er im Dezember 1710 eintraf. Die Trauerfeier für seinen geliebten Bruder fand am 19. Dezember in der St. Trinitatiskirche statt.
Am 12. Oktober 1711 wohnte Johann Ludwig der Krönung Kaiser Karls VI. (1685-1740) in Frankfurt bei. Er machte dem jungen Kaiser und verschiedenen Reichsfürsten seine Aufwartung. Die Herstellung und Pflege von engen Kontakten zu anderen Potentaten war für seinen weiteren Lebensweg von besonderer Bedeutung. Ostern 1712 verlieh ihm Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz (1658-1716) den St. Hubertusorden.
Im Jahr 1720 übernahm der sehr gebildete Johann Ludwig die Stelle des Oberlanddrostes zu Jever, die zuvor Harro von Closter inne hatte. Den Auftrag dazu erteilte sein Cousin, der in Zerbst regierende Johann August. Am 1. August 1720 erhielt Johann Ludwig seine Bestallung zum Statthalter. Der Zerbster Fürst konnte keine bessere Wahl treffen. Zu dieser Zeit wurden die meisten hohen, oft bestechlichen Beamten gegen neue, meist einheimische Beamte mit weitreichenden Kenntnissen ausgetauscht. Sie - mit Johann Ludwig an der Spitze - bildeten eine sehr gute Basis für die weitere Entwicklung des Landes. Die fast permanente Präsenz Johann Ludwigs in Jever und seine akribische, alle Bereiche umfassende Arbeitsweise unterbanden vielfach Korruption und waren sehr fördernd. Außerdem trug die Hofhaltung in Jever zum Broterwerb vieler Menschen bei.
Johann Ludwig hatte die Stellung als Oberlanddrost zu Jever für 22 Jahre bis zu seiner Regierungsübernahme in Zerbst inne. In dieser Zeit bewohnte er das Schloss und führte von dort aus seine Amtsgeschäfte. In der ersten Etage des Gebäudes lagen die fürstlichen Wohn- und Repräsentationsräume. Johann Ludwig ließ die Zimmer mehrfach umgestalten und dem Zeitgeschmack anpassen. Seine Bibliothek befand sich zeitweise im südwestlichen Flügel des Schlosses. In den Jahren 1730 bis 1736 entstand als weithin sichtbares Zeichen der elegante barocke Schlossturm. Auftraggeber für dessen Bau war Fürst Johann August in Zerbst. Den Entwurf für den Turm inklusive aller Details lieferte der Zerbster Hofbaumeister Johann Christoph Schütze. Eine von ihm stammende Zeichnung der Wetterfahne ist bis heute erhalten. Sie trägt das Signum des Fürsten Johann August und wurde damit zur Ausführung freigegeben. Beim Turmbau wurde der untere Teil aus dem 16. Jahrhundert beibehalten und um einen barocken Aufsatz erhöht und verschönert. Die Begleitung der Bauausführung lag in den Händen des in Jever ansässigen Baukondukteurs Jobst Christoph von Rössing (um 1680-1750). Johann Ludwig überwachte persönlich den Schlossturmbau, der noch heute die Stadtsilhouette von Jever bestimmt.
Im Jahr 1730 besuchte der Zerbster Regent seinen Cousin in Jever. Nach seiner Ankündigung erfolgten umfangreiche Instandsetzungs- und Renovierungsarbeiten im Schloss, um Fürst Johann August würdig zu empfangen und zu beherbergen. Für seinen Aufenthalt wurden Möbel und andere Ausstattungsstücke aus der Zerbster Residenz nach Jever gebracht. Auch Geschirr und andere Gebrauchsgüter wurden angeliefert. Außerdem erfolgten umfangreiche Lebensmittellieferungen, da offensichtlich nicht alle benötigten Waren in Jever vorrätig waren. Ein ähnlicher Aufwand wurde betrieben, während Johann Ludwig 1743 als Regent von Anhalt-Zerbst Jever besuchte.
Am 9. Juni 1728 legte Johann Ludwig den Grundstein zur neuen Stadtkirche in Jever. Die Pläne für das Gotteshaus lieferte der Baukondukteur Rössing, dem auch die Bauleitung oblag. Die Einweihung der Kirche erfolgte 1736. Die aus Eichenholz geschnitzte Kanzel war ein Geschenk von Christian August, dem Bruder Johann Ludwigs, der als Gouverneur in Stettin stationiert war. Die Kirche fiel 1959 einem Brand zum Opfer.
Johann Ludwig wählte im Jahr 1739 den in Jever geborenen Paul Heinrich Möhring (1710-1792) zu seinem persönlichen Arzt. Beide hoch gebildeten Persönlichkeiten standen in regem Austausch. 1743, als die Regierung bereits an die Dornburger Nebenlinie gefallen war, ernannten die fürstlichen Brüder den Mediziner und Naturforscher Möhring zum Rat und Leibarzt. Nach seiner Rückkehr nach Jever ordnete er die im dortigen Schloss verbliebene, bedeutende Bibliothek Johann Ludwigs.
Das Ausbleiben eines Nachkommen für das Regentenamt, das sich schon einige Jahre nach der zweiten Heirat des Fürsten Johann August mit Hedwig Friederike von Württemberg-Weiltingen (1691-1752) im Jahr 1715 abzeichnete, markierte bereits langfristig den Übergang der Regierung an Anhalt-Zerbst-Dornburg. Die Voraussetzung, die fürstliche Erbfolge anzutreten, wurde schon am 7. Januar 1698 geschaffen. Kaiser Leopold I. (1640-1705) erhob die Nachkommen Johann Ludwigs (I.) von Anhalt-Zerbst-Dornburg (1656-1704) in den Reichsfürstenstand. Der Erbfall trat 44 Jahre später, 1742, tatsächlich ein, als Johann August kinderlos verstarb und damit die Hauptlinie Anhalt-Zerbst erlosch. Die Brüder Johann Ludwig und Christian August übernahmen gemeinschaftlich die Regierungsgeschäfte. Beide verband seit ihrer Kindheit ein sehr herzliches Verhältnis. Johann Ludwig verließ kurz nach dem Jahreswechsel 1743 Jever und reiste nach Zerbst, um die Regentschaft anzutreten. Am 16. Januar hielt er feierlich Einzug in Zerbst. Ebenfalls im Jahr 1743 erhielt er - wie sein Vorgänger in der Regentschaft - den königlich-dänischen Elefantenorden.
Am 23. Juni 1743, zum 55. Geburtstag des Fürsten Johann Ludwig (II.), fand im Lustgarten nördlich des Schlosses eine großartige Illumination mit Feuerwerk statt, in die auch die elegante Hauptorangerie einbezogen wurde. Das über zwei Tage währende Fest hatte seine Schwägerin Johanna Elisabeth (1712-1760) für ihn und seine Gäste organisiert. Für die Durchführung zeichnete wohl der Hofbaumeister Johann Christoph Schütze verantwortlich, der zu dieser Zeit noch in Zerbster Diensten stand.
Der unter Fürst Johann August 1736 begonnene Pavillon am Westflügel des Schlosses stand an seinem Lebensende kurz vor der Vollendung. Trotz des Regierungswechsels wurde die Einrichtung der beiden Appartements im Pavillon bis Ende 1744 weitergeführt. Vermutlich bewohnte Fürstinwitwe Hedwig Friederike die fürstliche Suite im obersten Geschoss für kurze Zeit, bis sie in die für sie eingerichtete Wohnung im Haupttrakt des Schlosses zog. Mit hoher Wahrscheinlichkeit übernahm dann Johann Ludwig das Fürstenquartier im Pavillon. Im Sommer 1743 bezog seine Schwester, Prinzessin Sophia Christina (1692-1747), die Suite in der Etage darunter.
Auf der dem westlichen Trakt gegenüberliegenden Seite entstand unter Johann Ludwig und Christian August der Ostflügel des Schlosses, mit dem die barocke Dreiflügelanlage vollendet wurde. Durch ihre guten Kontakte zum preußischen Hof gelang es, einen beschlagenen Fachmann aus dem Baubüro Knobelsdorffs, dem Hofbaumeister Friedrichs des Großen (1712-1786) nach Zerbst zu verpflichten. Johann Friedrich Friedel (1721/22-nach 1798) fertigte die notwendigen Entwurfzeichnungen an und begleitete den Bau des Schlosstraktes. Eine Zeichnung des Baukondukteurs mit dem Signum des Fürsten Johann Ludwig hat sich bis heute erhalten. Er und sein Bruder nahmen am 13. Juni 1744 die feierliche Grundsteinlegung zum Ostflügel in Anwesenheit des gesamten Hofstaates vor. Leider sollten beide Regenten die Vollendung des Schlosses nicht mehr erleben.
Der sehr versierte und politisch erfahrene Fürst Johann Ludwig (II.) konnte sein Wissen nur zwei Regierungsjahre anwenden. Er verstarb am 5. November 1746 im Alter von 58 Jahren in seinem Appartement im Schloss. Sein Leichnam wurde für drei Tage im Roten Saal aufgebahrt, der im Erdgeschoss des Haupttraktes lag. Er wurde in zwei ineinander gestellte Särge aus Eichen- und Kiefernholz gebettet, die mit kostbarem Stoff ausgeschlagen sowie mit Gold- und Silbertressen verziert waren. Einer alten Tradition folgend, wurde der Leichnam einbalsamiert. Zu diesem Zweck wurden bestimmte Öle beschafft. Am 12. November 1746 fand der Trauergottesdienst in der Schlosskapelle statt. Anschließend wurden die sterblichen Überreste in der fürstlichen Gruft darunter beigesetzt. Mit der Anfertigung eines Entwurfs für die Herstellung des Prunksarges aus Metall wurde der Bauinspektor Friedel beauftragt. Der Ende 1749 vollendete, komplett vergoldete Prunksarg des Fürsten wurde im Roten Saal aufgebaut. Seine endgültige Aufstellung in der Gruft erfolgte jedoch erst 1758/59. Sein Bruder Christian August folgte ihm nur vier Monate später in die Ewigkeit.
Die enge Verbundenheit Johann Ludwigs mit Jever fand in einer Lob- und Trauerode ihren Ausdruck, die das Jeversche Konsistorium am 16. Dezember 1746 an den nunmehrigen Alleinregenten Christian August nach Zerbst sandte. Der Verfasser der Zeilen war der Rektor der Provinzialschule in Jever Gerhard Gerdes (1711-1771).
Eine längere Regierung des Fürsten Johann Ludwig (II.) hätte gegenüber der in diversen Bereichen fragwürdigen vormundschaftlichen Regentschaft der Fürstinwitwe Johanna Elisabeth nur für einige Zeit Vorteile für Anhalt-Zerbst gebracht, da er unverheiratet blieb und keine Nachkommen hatte. Der Chronist Samuel Lentz bemerkte in seiner Chronik: "Dieser Durchl. Fürst hat Bedenken gefunden sich zu vermählen." Welche Bedenken er hatte, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben.


Dirk Herrmann

In: Zerbster Heimatkalender 2005, Seite 74—81

Literatur:
Beckmann, Johann Christoff: Historie des Fürstenthums Anhalt (Zerbst 1710/16).
Matz, Klaus-Jürgen: Wer regierte wann? (München 1992).
Herrmann, Dirk: Schloss Zerbst in Anhalt (Halle 1998).
Lentz, Samuel: Becmannus enucleatus ... (Cöthen und Dessau 1757).
Sander, Antje (Hg.): Ferne Fürsten - Das Jeverland in Anhalt-Zerbster Zeit, Band 2 (Oldenburg 2004).