www.schloss-zerbst.de

Internetseiten von Dirk Herrmann

Der Reisefürst
Johann Ludwig begründete die Nebenlinie Anhalt-Zerbst-Dornburg

Bis ins 17. und 18. Jahrhundert hinein war es in vielen deutschen Fürstentümern üblich, dass viele männliche Sprosse eines fürstlichen Hauses auch eigenen Grund und Boden erhielten. Dort errichtete der Fürst dann für sich und seine Familie einen Wohnsitz. Vielfach wurden auch selbständige Nebenlinien mit unterschiedlichen Rechten und Befugnissen gegründet, die die ohnehin schon kleinen Länder noch mehr zerstückelten. Geschah dies, so bestand das Erbrecht auf das Territorium. Erst die sogenannte Primogenitur, das Erstgeburtsrecht, schob diesem, für die Herrschaftsbereiche sehr schädlichen Praxis einen Riegel vor.

Für einige Jahrzehnte existierte parallel zum Fürstenhaus Anhalt-Zerbst auch eine Nebenlinie: Anhalt-Zerbst-Dornburg. Der Begründer dieses Zweiges war Johann Ludwig. Er kam am 4. Mai 1656 Abends um 6 Uhr in der Zerbster Renaissanceburg zur Welt. Seine Taufe erfolgte nur wenige Tage später am 11. Mai. Dem sechsten Kind von Fürst Johann (1621-1667) und seiner Gemahlin Sophie Auguste (1630-1680) sollten noch weitere acht Kinder folgen. [Die Biographie Johanns ist im Heimatkalender 2002 nachzulesen.] Wegen der hohen Sterblichkeitsrate, die auch in fürstlichen Familien nicht ausblieb, erreichten nur fünf Kinder das Erwachsenenalter.
Johann Ludwigs Vater musste mit seiner Mutter durch die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges Zerbst verlassen. Sie verbrachten die ersten Jahre in Wittenberg, die folgenden in Oldenburg. Erst 1642 konnte der nun volljährige Johann wieder nach Zerbst zurückkehren, obwohl die Repressalien noch nicht beendet waren und große Lasten auf der stark dezimierten Bevölkerung lagen. Die fürstliche Familie fand ihren Stammsitz in einem sehr desolaten Zustand vor. Auch einige Jahre später, nach der Geburt von Johann Ludwig, hatte sich nicht viel geändert. Die schlechte wirtschaftliche Lage ließ nur kleine Reparaturen und die Renovierung einiger Zimmer zu.
In dieser Burg verbrachte der Prinz gemeinsam mit seinen vier Geschwistern die Kinder- und Jugendzeit. Die Erziehung übernahmen nicht etwa die Eltern, sondern verschiedene Personen des Zerbster Hofes. Neben der Allgemeinbildung wurde besonders die Unterweisung in kirchlichen Dingen gefördert. Allerdings litt der kleine Prinz seit seinem vierten Lebensjahr unter starken Schmerzen an seinem linken Schenkel. Die relativ unerfahrenen Ärzte der Zeit probierten verschiedene Heilverfahren aus. Der Junge musste notgedrungen die schmerzhaften Prozeduren über sich ergehen lassen. Zum Glück war seine Bewegungsfreiheit nicht völlig eingeschränkt. Im neunten Lebensjahr genas er wieder. Anschließend konnte er viel ungehinderter seine Lernphase fortsetzen. Er hatte offenbar großes Interesse, sich neues Wissen anzueignen. Doch die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten schienen relativ beschränkt gewesen zu sein. Die höheren Hofbeamten hatten großen Einfluss auf die Entwicklung der fürstlichen Kinder. In späteren Jahren beklagte sich Johann Ludwig mehrfach, dass die Ausbildung nicht den eigentlichen Erfordernissen entsprach und ging mit den Ministern hart ins Gericht: "... daß bei Auferziehung Fürstl. Kinder nicht allemahl der Fleiß angewandt würde, wie es von Gott und Rechts wegen sein sollte, und die Fürsten in diesem Stücke weit unglücklicher, als privati [Privatmann] wären, auch wohl nun und dann ein Arcanum Politicum [politisches Geheimnis] einiger Ministrorum [Ratgeber] darunter verborgen läge, es zu verhindern, damit Fürstl. Personen nicht klüger, dann sie würden." (Beckmann 1710/16, S. 446) Daraus wird deutlich, dass es zwar an seiner Ausbildung im Kindes- und Jugendalter mangelte, doch spätere Studien ihre positiven Spuren hinterließen. Er erkannte schon zur damaligen Zeit die weit verbreitete Korruption und prangerte sie an. Allerdings hätte er sich diese Anklage als regierender Fürst nur bedingt leisten können. In diesem Fall wäre er auf die Minister angewiesen.

Im Jahr 1672, mit gerade 16 Jahren, durfte Johann Ludwig bereits auf eine erste große Studienreise gehen. Er brach zusammen mit seinem ältesten Bruder, dem Erbprinzen Carl Wilhelm (1652-1718), nach Regensburg auf. Dort trafen sie sich mit ihren beiden mittleren Geschwistern Anton Günther (1653-1705) und Johann Adolf (1754-1726), die gerade von einer Reise aus Italien zurückkehrten. Sie bestiegen gemeinsam ein Donauschiff und fuhren in trauter Eintracht bis nach Wien. Allen vier Prinzen wurde die Ehre zuteil, bei Kaiser Leopold I. (1640-1705) in der Hofburg vorgelassen zu werden und ihm die Hand küssen zu dürfen. Den Aufenthalt am kaiserlichen Hof nutzten sie, um Kontakte zu knüpfen und ihr Wissen zu erweitern. Anschließend kehrten die jungen Brüder über den sächsischen Hof in Dresden nach Zerbst zurück. Die Geschwister, die sich ausgezeichnet verstanden, genossen die gemeinsame Zeit sehr.

Eine weitere, bereits für das Jahr 1674 geplante Reise kam zum großen Bedauern des Prinzen nicht zustande. Sie sollte Johann Ludwig gemeinsam mit August Friedrich (1657-1676), dem ältesten Prinzen von Braunschweig-Wolfenbüttel, nach Italien führen. Obwohl schon alle notwendigen Vorbereitungen getroffen waren, musste die Fahrt durch das Ausbrechen seines alten Beinleidens abgesagt werden. Drei Jahre litt er unter starken Schmerzen. Die Ärzte konnten kaum etwas ausrichten und nur schmerzlindernde Mittel verabreichen. Doch dann erholte sich der Prinz wieder. Mittlerweile hatte sein Bruder Carl Wilhelm die Regentschaft in Anhalt-Zerbst und die Vormundschaft über die noch unmündigen Geschwister übernommen.

Der Hofarzt hatte Johann Ludwig und dem Vormund nahegelegt, seine Beschwerden durch Luftveränderung vollends zu kurieren. Diesen Rat konnte er 1677 auch befolgen. Wiederum führte ihn der Weg über Regensburg nach Wien. Dieses Mal musste er die Strecke allerdings allein zurücklegen. Er nutzte erneut die Gelegenheit, dem Kaiser in der Hofburg aufzuwarten. Solche Kontakte waren gerade für ein kleines Fürstenhaus sehr wichtig. Die große Entfernung zwischen Wien und Zerbst und die schlechten Reisemöglichkeiten ließen es nicht zu, häufig den kaiserlichen Hof zu besuchen. Insgesamt hielt sich Johann Ludwig drei Monate in Wien auf. Ob er in der Hofburg, der kaiserlichen Residenz, Unterkunft fand oder Quartier in der Stadt nehmen musste, ist nicht bekannt. Während seines Aufenthaltes unternahm er auch Ausflüge nach Ungarn, das zum Habsburger Reich gehörte. Er inspizierte die Festungen Raab (Gyõr, Nordwestungarn) und Comorra (Komárom an der Grenze zur Slowakei). Von Wien ging es dann über Salzburg und Tirol nach Venedig und Rom. Im Vatikan sprach er mit verschiedensten Kardinälen und anderen kirchlichen Würdenträgern am päpstlichen Hof. Er hatte auch mehrere Audienzen bei Papst Innozenz XI. (1611-1689), der gerade ein Jahr im Amt war und den Prinzen sehr schätzte. Im folgenden Jahr, 1678, reiste Johann Ludwig weiter nach Süden und besuchte Neapel. Sein Weg führte ihn weiter über Sizilien bis nach Malta. Dort wurde er vom Großmeister des Johanniterordens und den anwesenden Ordensrittern empfangen. Im November 1678 trat er schließlich die Rückreise an. Per Schiff fuhr er von Malta nach Livorno (Toskana) an der Westküste Italiens und machte im nahegelegenen Florenz Station. Er verbrachte einige Zeit am Hof des florentinischen Großherzogs Cosimo III. (1639-1723) und traf neben dem Regenten auch weitere Mitglieder der großherzoglichen Familie sowie einen Kardinal aus dem Hause der Medici. In dieser Zeit wurde ihm viel Ehre zuteil. Anschließend zog Johann Ludwig erneut nach Venedig. Die Lagunenstadt mit ihren prächtigen Palästen muss sehr imponierend auf den Prinzen gewirkt haben. Von dort durchquerte er Italien bis zum Mittelmeer und hielt sich in den Städten Mantua, Modena, Parma und Genua auf. Von Genua reiste er weiter und besichtigte die Festung Casale Monferrato sowie Turin. In letzterer Stadt begegnete er Königin Marie-Thérèse von Frankreich (1638-1683). Die auf Reisen befindliche Gemahlin des Sonnenkönigs Ludwig XIV. (1638-1715) trat Johann Ludwig äußerst höflich und entgegenkommend gegenüber.
Der junge Prinz verbrachte insgesamt zwei Jahre in Italien, dann kehrte er wieder zurück nach Zerbst. Unter Berücksichtigung des großen Zeitrahmens und der vielen Orte, die er besichtigte, war es eine sehr ausgedehnte Kur- und Bildungsreise. Der regierende Carl Wilhelm sparte keine Kosten, um seinen geliebten jüngeren Bruder zu unterstützen. Nicht nur aus damaliger, sondern auch aus heutiger Sicht ist der Prinz um seine weite Reise und die vielen Erlebnisse zu beneiden. Der lange Aufenthalt in Italien hatte auch den Effekt, dass er die Sprache fließend beherrschte. Johann Ludwig schien wirklich eine große Ader für Sprachen gehabt zu haben, war er doch auch des Französischen und Spanischen perfekt mächtig.

Lange hielt es den jungen Prinzen nicht in Zerbst. Schon 1681, im Jahr der Grundsteinlegung zum Neubau des Zerbster Schlosses, ging er erneut auf Reisen. Er besuchte die Niederlande und Frankreich. Von dieser Fahrt schien er jedoch nicht sonderlich begeistert gewesen zu sein. Seiner Meinung nach war speziell in Frankreich kaum Neues zu entdecken, das er als Anregung mit nach Hause nehmen konnte. Den dortigen Entwicklungsstand schätze er als nicht sehr fortschrittlich ein und meinte: "da wier doch in Deutschland in Wissenschaften und Exercitien die geschickteste Köpfe und Meister hätten" (Beckmann 1710/16, S. 446). Der französischen Lebensart, speziell dem Hofleben, konnte Johann Ludwig nicht viel abgewinnen. Der bürgerlich gesinnte Prinz empfand den Aufenthalt in Frankreich als Geld- und Zeitverschwendung. Die Realität sah dann doch etwas anders aus. Der Hof des Sonnenkönigs suchte an Größe und Glanz in Europa seinesgleichen. Die Künste und Wissenschaften waren hoch entwickelt. Dagegen war Deutschland durch den Dreißigjährigen Krieg sehr geschwächt und für viele Jahrzehnte im Hintertreffen. Schließlich kehrte Johann Ludwig nach zwei Jahren über das Elsaß in die Residenzstadt Zerbst zurück.

Militärische Intentionen hatte der Prinz nur wenige. Auf seinen Reisen interessierten ihn Festungen nur am Rande. Trotzdem unterstellte er sich 1684 kaiserlichen Diensten und nahm die Stellung eines Hauptmanns ein. Vielleicht zwangen ihn finanzielle Gründe dazu. Er diente in einem Regiment, das unter dem Befehl des Generals Graf von Scharfenberg stand. Dieses belagerte erfolglos die ungarische Stadt und Festung Ofen. Der Feldzug wurde zum Desaster, doch Johann Ludwig kam ungeschoren davon. Erst zwei Jahr später, 1686, sollte die Einnahme der Festung gelingen. Bei diesem militärischen Zwischenspiel blieb es schließlich, dann wandte er sich wieder zivilen Dingen zu. Zurück in der Heimat begann er, sein Schloss in Dornburg einzurichten.

Schon kurze Zeit später fing ein völlig neuer Lebensabschnitt für Johann Ludwig an. Er hatte sich am 23. Juli 1687 mit Christiane Eleonore vermählt, die dem thüringischen Adelsgeschlecht von Zeutsch entstammte. Wo er die Prinzessin kennen gelernt hatte, ist nicht bekannt. Es ist aber ziemlich sicher, dass es keine politisch motivierte Heirat war. Christiane Eleonore erblickte am 5. Juni 1666 in Hedersleben bei Eisleben das Licht der Welt.
Aus der Ehe gingen insgesamt sieben Kinder hervor. Der erste Sohn, der den Namen des Vaters trug, wurde 1688 geboren. Dieser und das dritte Kind, der 1690 geborene Christian August, sollten später sogar die Regentschaft in Anhalt-Zerbst übernehmen. (Über diese Persönlichkeiten wird in einem der nachfolgenden Heimatkalender zu berichten sein.)
Johann August, der zweite Sohn, kam am Silvestertag 1689 zur Welt. Nach seiner Erziehung und Bildung am heimischen Hof widmete er sich ab dem 18. Lebensjahr dem Militär und wurde Obrist im Sachsen-Gothaischen Regiment zu Fuß. Im Jahr 1707 besichtigte er das schwedische Hauptquartier in Altranstädt. Von Gotha aus trat er seinen Marsch nach Italien an und nahm am Spanischen Erbfolgekrieg teil. Während seines Militärdienstes hatte er Gelegenheit, auf Besichtigungstour zu gehen und sich weiterzubilden. So wohnte er dem Karneval in Venedig bei. Von dort führte ihn sein Weg über Bologna und Loretto nach Rom und weiter nach Neapel. Zurück in Rom besuchte er eine Pabstaudienz und erhielt von Seiner Heiligkeit ein Buch zum Geschenk. Anschließend reiste er über Siena nach Florenz. In Turin wechselte er wieder in den aktiven Militärdienst und übernahm erfolgreich die Führung einer Kompanie des Herzogs Friedrich II. von Sachsen-Gotha (1676-1732). Nach beendetem Feldzug kehrte er nach Deutschland zurück und machte mehrere Tage bei Graf Albrecht (Albert) Anton (1641-1710) auf der Heidecksburg in Rudolstadt Station. Von dort begab er sich an den Hof Friedrichs I. (1657-1713) nach Berlin. Den Winter verbrachte er teils im heimischen Zerbst, teils in Gotha auf Schloss Friedenstein. Der Herzog ernannte ihn zum Obristen über ein in Italien stehendes Regiment. Nach einer einmonatigen Reise dort angekommen, übernahm Johann August am 29. Mai die Führung. Bald darauf litt er unter starkem Husten und Schmerzen in der Brust. Nach kurzer Bettlägerigkeit fand sein junges Leben am 22. August 1709 in Exilles in Norditalien ein jähes Ende. Nach seiner Einbalsamierung und Überführung wurde Johann August am 14. Januar 1710 in der Gruft der Zerbster St. Trinitatiskirche beigesetzt.
Der vierte Sohn, Christian Ludwig, kam am 5. November 1691 zur Welt. Auch dieser Prinz schlug die militärische Laufbahn ein. Er ging wie sein älterer Bruder Christian August (1690-1747) auf die Fürsten- und Ritterakademie in Berlin und stand in den Diensten des preußischen Königs Friedrich I. (1657-1713). Er weilte vielfach bei Hofe und machte auch dem König seine Aufwartung. Da er sich sehr für das Militär interessierte und für diese Laufbahn geeignet schien, ernannte dieser ihn zum Kapitän beim Leibregiment. Anfang März 1709 reist er nach Zerbst und weiter zu seinem Regiment, das in den Niederlanden stationiert war. Der heldenmutige Prinz nahm erfolgreich an mehreren schweren Schlachten teil und begab sich mit königlicher Erlaubnis im Winterhalbjahr, als die Waffen schwiegen, auf eine Studienreise nach Brüssel, Antwerpen und Utrecht. Zurück auf dem Kriegsschauplatz traf ihn am 18. Oktober 1710 bei der Belagerung von Aire in den Spanischen Niederlanden aus dem feindlichen Hinterhalt eine Kugel in den Kopf. Nur zwei Tage später verstarb er an der schweren Verletzung in den Armen seines Bruders Christian August, der im selben Regiment diente. So kam auch Christian Ludwig, gerade 18 Jahre alt, nur ein Jahr nach seinem älteren Bruder während eines Feldzugs ums Leben. Seine sterblichen Überreste wurden über Dornburg nach Zerbst gebracht und am 19. Dezember 1710 in der St. Trinitatiskirche zur letzten Ruhe gebettet.
Auf die Söhne folgte zur Freude der Mutter am 16. Dezember 1692 eine Tochter, die den Taufnamen Sophia Christina erhielt. Die in Dornburg geborene Prinzessin wurde am Zerbster Hof erzogen. Sie wurde Kanonissin des weltlich-kaiserlichen Hochstifts in Bad Gandersheim (heute Niedersachsen), hielt sich aber vorwiegend in Zerbst auf. Nach einer nur viertägigen Krankheit entschlief sie am 3. Mai 1747 im Zerbster Schloss im Alter von 54 Jahren. Nach ihrer Aufbahrung im Roten Saal des Schlosses, der sich im Erdgeschoss des Haupttraktes befand, wurde sie am 9. Mai in der St. Trinitatiskirche in der Gruft unter dem Hochaltar beigesetzt.
Schließlich wurde dem fürstlichen Paar eine weitere Tochter geschenkt. Die am 15. Mai 1694 geborene Prinzessin erhielt den Namen Eleonora Augusta. Sie verstarb mit nur 10 Jahren am 11. Juni 1704 in Dornburg. Ihre Beisetzung erfolgte am Abend des 17. Juli ebenfalls in St. Trinitatis.
Das letzte Kind des Paares, Prinz Johann Friedrich, erblickte am 14. Juli 1695 in Dornburg das Licht der Welt. Er wurde vorwiegend am Hof zu Sachsen-Gotha erzogen. Auch ihm war es möglich, eine Studienreise anzutreten, die ihn 1714 in die Niederlande nach Utrecht, Leiden und Den Haag sowie nach England an den königlichen Hof führte. Dort wohnte er der Krönung Georgs I. (1660-1727) bei und bereiste die Insel. Dann ging er nach Frankreich und verbrachte fünf Monate in Paris. Mehrfach wartete er dem König Ludwig XIV. (1638-1715) und Angehörigen des Hofstaates in Versailles auf. Danach besuchte er mehrere bedeutende Orte in Deutschland, um schließlich im Sommer 1715 in die Heimat zurückzukehren. Anschließend schlug auch er die militärische Laufbahn ein und nahm an Schlachten in Italien und Ungarn teil. Des Dienstes überdrüssig zog er sich als Privatmann zurück. Nach der Heirat mit Cajetana von Sperling lebte das Paar in Lausanne, später in Schaffhausen. Er verstarb am 11. Mai 1742 in Schaffhausen und wurde am 4. Juli im Erbbegräbnis der Linie Anhalt-Zerbst-Dornburg in der St. Trinitatiskirche beigesetzt. Seine Frau folgte ihm nur einige Monate später, am 17. Dezember, in die Ewigkeit. Allerdings ruht sie nicht an dessen Seite.
Einer der Söhne Johann Ludwigs sollte Domherr zu Magdeburg werden. Die dazu nötigen Schritte hatte er bereits 1696 in die Wege geleitet. Zu dieser Zeit stand aber noch nicht fest, für welchen seiner noch unmündigen Söhne der geistliche Weg in Frage kommen sollte. Offensichtlich war keiner der Prinzen bereit, Geistlicher zu werden. Die Wünsche respektierend kam der Plan nicht zur Umsetzung.

Das Jahr 1698 war sehr bedeutend für die Nebenlinie des Zerbster Fürstenhauses. Am 7. Januar erhob Kaiser Leopold I. (1640-1705) die Söhne und Töchter Johann Ludwigs in den Reichsfürstenstand. Damit waren sie rechtmäßige Fürsten und Fürstinnen. Gleichzeitig erhielt die Linie Anhalt-Zerbst-Dornburg einen offiziellen Status mit allen dazugehörigen Rechten. Mitglieder des Hauses waren nun befugt, die fürstliche Erbfolge anzutreten, falls die Hauptlinie Anhalt-Zerbst erlischt. Und dieser Fall trat tatsächlich 1742 ein. Mit dem kinderlos gebliebenen Fürsten Johann August (1677-1742) ging die Regentschaft an die Nebenlinie und damit an die beiden Brüder Johann Ludwig (1688-1746) und Christian August (1690-1747) über.

Christiane Eleonore, Johann Ludwigs Gemahlin, wurde im Februar 1699 von einer schweren, nicht überlieferten Krankheit befallen. Viele Wochen litt sie an heftigen Schmerzen und verschied schließlich am 17. Mai. Auch sie wurde in der St. Trinitatiskirche zur letzten Ruhe gebettet. Ihr Gemahl, der sie sehr liebte, ließ zu ihrem Andenken in der Kirche einen weißen Marmorepitaph in barocken Formen errichten. Eine rechteckige, mit einer langen Inschrift versehene Platte ruhte auf einem hermelinverzierten Mantel. Zwei Engel hielten sich am Mantel sowie Bändern und Quasten fest. Auf den oberen Ecken der Inschrifttafel saßen zwei weitere geflügelte Engel. Sie hielten einen Lorbeer- und Blütenkranz, der eine Büste der Fürstin umgab. Über dem gesamten Ensemble schwebte ein großer Fürstenhut. Der Epitaph ging bei der Zerstörung der Kirche 1945 verloren. Eine verkleinerte Kopie in Elfenbein mit vergoldeter Inschrift hatte Johann Ludwig in seinem Kabinett im Schloss aufgestellt. Dieses Andenken drückte die Liebe zu seiner langjährigen Gemahlin aus.

Johann Ludwig überlebte seine Frau um fünf Jahre. Er verstarb um 8 Uhr am Morgen des 1. November 1704 in Dornburg. Dort hielt der Beichtvater des Fürsten, Paul Heinrich Möhring, eine Leichenpredigt. Der fürstliche Leichenzug wurde am Abend des 10. Dezember am Breite-Straßen-Tor in Empfang genommen und zur St. Trinitatiskirche begleitet. Die feierliche Beisetzung fand am darauffolgenden Tag statt. Parallel hielt der Superintendent Weickhman in der Hof- und Stiftskirche zu St. Bartholomäi eine Trauerpredigt in Anwesenheit des fürstlichen Hofes.

Dirk Herrmann

In: Zerbster Heimatkalender 2004, Seite 110—117

Literatur:
Beckmann, Johann Christoff: Historie des Fürstenthums Anhalt, Zerbst 1710/16.
Büttner Pfänner zu Thal, Dr.: Anhalts Bau- und Kunstdenkmäler, Dessau 1894.
Lentz, Samuel: Becmannus enucleatus ..., Cöthen und Dessau 1757.
Wäschke, Hermann: Anhaltische Geschichte, Cöthen 1913.