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"Sicherungsmaßnahme I"
Rettung des Zerbster Schlosses in Sicht

Der Förderverein Schloss Zerbst e. V. bemüht sich seit seiner Gründung 2003 um den Erhalt und die Wiederbelebung der ehemaligen fürstlichen Residenz. Durch eine effiziente Öffentlichkeitsarbeit stehen inzwischen 168 Mitglieder aus ganz Deutschland sowie den USA und Kanada hinter den Zielen des Vereins. Die Stadt Zerbst als Eigentümerin des Gebäudes begrüßt das Engagement des Fördervereins außerordentlich und fördert seine Projekte nach ihren Möglichkeiten.
Das herausragende Gebäude - einst die bedeutendste Barockresidenz im mitteldeutschen Raum - wurde in den letzten Kriegstagen 1945 stark zerstört. Der sich anschließende, politisch motivierte Abbruch von zwei Trakten der ehemaligen Dreiflügelanlage trug zur weiteren Vernichtung bei. Die finanzielle Unterstützung durch das Landesamt für Denkmalpflege in den Jahren 1954/55 war begrenzt. Nur ein geringer Teil der noch vorhandenen Schlossreste konnte provisorisch gesichert werden. Sich daran anschließende Jahrzehnte der Missachtung, Vandalismus und Witterungseinflüsse haben den Verfall dramatisch beschleunigt. Von dem historisch herausragenden und überregional bedeutsamen Bauwerk ging immer mehr verloren. Ausbleibende Pflege führte dazu, dass auch die Gebäudesicherungen starken Schaden nahmen.

  Entreesaal Einbau der Schalung für die Decke zwischen
Parterre und erstem Obergeschoss des Mittelrisalits
Mehrere in den 1990er Jahren gestellte Rückführungsansprüche verhinderten für viele Jahre jegliche Investition. Nachdem die Ansprüche zugunsten der Stadt Zerbst entschieden wurden, konnte der Förderverein gegründet und aktiv werden. Es bestand dringender Handlungsbedarf, um nicht das gesamte Objekt zu verlieren. Nach einer langen Planungs- und Vorbereitungsphase war es möglich, die "Sicherungsmaßnahme I" im Winterhalbjahr 2005/06 durchzuführen - die ersten umfassenden Baumaßnahmen nach über 50 Jahren. Damit gelang es, den weiteren Verfall einiger Gebäudebereiche zu stoppen. Die vom Förderverein Schloss Zerbst e. V. beantragte und als Bauherr getragene Maßnahme erfolgte mit großzügiger Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt und der Beteiligung des Eigentümers, der Stadt Zerbst.

Die "Sicherungsmaßnahme I" mit einem Gesamtvolumen von 100.000,00 Euro umfasste zwei Schwerpunkte: die Neuabdeckung des partiell vorhandenen Notdaches und das Einziehen von drei neuen Decken an historischer Stelle. Für die Bauplanung beauftragte der Förderverein das mit denkmalgeschützten Objekten erfahrene Architekturbüro Brosig + Mengewein und Partner. Die inhaltliche Vorbereitung und die Umsetzung erfolgten in enger Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege und der Unteren Denkmalschutzbehörde.

Die Erneuerung der völlig verschlissen Abdichtung des 1954/55 aufgebrachten Notdaches nahm eine besondere Stellung ein und hatte oberste Priorität. Infolge nicht durchgeführter Reparaturarbeiten konnte Feuchtigkeit über viele Jahre hinweg fast ungehindert durch diese oberste Decke bis in die zentralen Räume des Ostflügels, teilweise sogar bis in die Keller eindringen. Das Flachdach oberhalb des zweiten Obergeschosses erstreckt sich zwar nur über etwa ein Drittel des Gebäudes, schützt aber seit der Erneuerung der Abdeckung die Bausubstanz und die Gewölbe darunter. Darüber hinaus war die Schutzdecke selbst der Zerstörung durch Korrosion der integrierten Armierung ausgesetzt und stellte eine Gefahr dar.
Nach erfolgtem Gerüstbau wurden die alte verschlissene Dachabdichtung und Wildwuchs entfernt. Anschließend konnten die neuen Bitumenschweißbahnen aufgebracht werden. Zur Dachentwässerung wurden Dachrandabläufe und Wasserspeier montiert. Zu Kontroll- und Wartungszwecken entstand eine verschließbare Dachluke. Außerdem erhielt das stadtseitige Hauptgesims ein Sicherheitsnetz, um das Herabfallen von Elementen zu vermeiden.

Infolge groben Vandalismus waren bzw. sind in vielen Bereichen des Schlosses große Mauerausbrüche zu verzeichnen. Das Fehlen von Mauerabschnitten und ganzer Wände hat teilweise dramatische Auswirkungen auf die Statik des Gebäudes. Vor dem Einzug der neuen Decken musste die Tragstruktur in einigen Bereichen stabilisiert werden. Dazu wurden mehrere große Öffnungen in Anlehnung an die originale Struktur mit Ziegeln vermauert.

Der Einzug von Geschossdecken, die seit der Zerstörung 1945 vor allem in den oberen Etagen meist fehlen, stellte ebenfalls eine wichtige Maßnahme dar. Vor allem die nicht mehr vorhandenen Decken im Bereich des Mittelrisalits ließen einen großen, über drei Etagen reichenden Raum entstehen. Aufgrund der nicht mehr gegebenen Statik entstanden Risse, die neben dem aufgehenden Mauerwerk auch das Treppenhaus in Mitleidenschaft zogen. Gerade dieser mittlere Schlossteil ist durch seinen Sandsteinschmuck in der Fassade besonders wertvoll.
Um diesen Bereich zu sichern, wurde zwischen dem Parterre und dem ersten Obergeschoss sowie zwischen letzterem und dem zweiten Obergeschoss je eine Stahlbetondecke eingezogen. Zur Herstellung der unteren Decke waren der Einbau zahlreicher Stützen und die Herstellung einer Holzschalung notwendig. In den Seitenwänden integrierte Maueranker stellten die Verbindung zwischen Wänden und Decke her. Zahlreiche Cobiax-Hohlkörper wurden in die Armierung integriert, um das Eigengewicht der großen Decke mit 125 Quadratmetern und ca. 40 Zentimetern Stärke zu verringern. Anschließend konnte die Betondecke gegossen werden. Die Herstellung der oberen Decke erfolgte analog.
Durch diese Maßnahme war es möglich, die Gebäudesubstanz partiell statisch zu sichern und Arbeiten in einigen oberen Bereichen des Schlosses durchzuführen bzw. für weitere Sicherungen begehbar zu machen. Außerdem schützen die neuen Decken die noch vorhandenen historischen, teilweise geschwächten Gewölbe der darunter gelegenen Geschosse vor Witterungseinflüssen und Besucher vor eventuell herabfallenden Mauerwerksteilen.
Neben der vorrangigen statischen Stabilisierung der vorhandenen Bausubstanz des Mittelrisalits waren auch die Erhaltung der noch verbliebenen, beeindruckenden Dekorationen im Treppenhaus und Eingangssaal von großer Bedeutung. Dabei handelt es sich um die fast einzigen barocken, fragmental noch existenten Innendekorationen, die es zu bewahren gilt und die gegebenenfalls rekonstruiert werden können.
Die neuen Decken erschließen auch das Haupttreppenhaus selbst, das seit der Zerstörung nicht mehr begehbar war. Nun sind diese Bereiche wieder für die Öffentlichkeit im Rahmen von Veranstaltungen zugänglich. Außerdem sind die im ersten Obergeschoss liegenden, nach Süden angrenzenden Räume wieder betretbar.
Dem Förderverein stehen nun zwei neue Säle im Bereich des ersten bzw. zweiten Obergeschosses des Schlosses für Veranstaltungen zur Verfügung. Damit ist die Basis gegeben, das kulturelle Angebot weiter auszubauen.

Der Flur unmittelbar am derzeitigen hofseitigen Haupteingang zum Schloss stellte bislang eine Gefahrenquelle dar, da sämtliche Decken darüber 1945 verloren gegangen sind. Außerdem konnte Regen- und Schmelzwasser ungehindert in die noch vorhandenen Sandsteinplatten des Fußbodens und das darunter gelegene Gewölbe eindringen. Zur Abdeckung dieses Areals war ebenfalls eine Zwischendecke erforderlich.
Die Ausführung der Stahlbetondecke erfolgte analog dem Einzug der Decken im Mittelrisalit. Auf Grund der geringeren Ausmaße waren jedoch keine masseerleichternden Kugeln notwendig. Der Guss der Decke erfolgte zusammen mit der oberhalb des Eingangssaales.
Die vollendete Decke stellte die notwendige Statik wieder her und schützt die Besucher nun vor eventuell herabfallenden Steinen. In Kombination mit der vom Förderverein im Vorfeld der Baumaßnahmen hergestellten Treppe ist der sichere Zugang zum Schloss gewährleistet. Auch der über dem Flur gelegene ehemalige fürstliche Audienzsaal hat seinen Fußboden wieder und ist für weitere Sicherungsmaßnahmen begehbar.

Neben der Erhaltung des geschichtsträchtigen Gebäudes ist der Förderverein Schloss Zerbst e. V. bemüht, die durch den Verein begonnene kulturelle Nutzung des Schlosses sukzessive auszubauen. Seit dem Jahr 2003 finden jährlich im Zeitraum zwischen April und Oktober zahlreiche Veranstaltungen verschiedenster Art statt. Dazu zählen neben Führungen durch das Gebäude auch Vorträge, die Schlossfilmspiele, Konzerte und andere musikalische Darbietungen sowie gesellige Abende mit Rahmenprogramm und teilweise Tanz. Damit konnte der Förderverein Schloss Zerbst e. V. die ehemalige fürstliche Residenz innerhalb kürzester Zeit als festen Bestandteil des kulturellen Lebens der Stadt Zerbst und der Region etablieren.

Der Förderverein Schloss Zerbst e. V. ist bemüht, Ende 2006 die "Sicherungsmaßnahme II" durchzuführen und damit den Schutz des Hauses vor weiterem Verfall kontinuierlich fortzusetzen. Diese Maßnahme ist jedoch von der Bewilligung weiterer Fördergelder abhängig. Hauptschwerpunkt wird der Gebäudebereich nördlich des Mittelrisalits sein. Geplant ist, dort insgesamt zehn Stahlbetondecken einzuziehen. Die Decken sollen zwischen dem Parterre und dem ersten Obergeschoss bzw. zwischen dem ersten und dem zweiten Obergeschoss entstehen. Die Planung umfasst weiterhin die provisorische Abdeckung mehrerer wertvoller historischer Gewölbe aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Zwei davon befinden sich im Parterre bzw. ersten Obergeschoss des Corps de logis, dem ältesten Gebäudeteil.

Die Hauptinhalte der für die nächsten Jahre geplanten Sicherungsmaßnahmen bestehen darin, weitere Geschossdecken einzuziehen, um das Schloss statisch zu sichern und die Errichtung eines Daches nach historischem Vorbild zu ermöglichen. Denn gerade die Bewitterung von Bauelementen führt neben dem Vandalismus zum dramatisch schnellen Verfall der Substanz. Nur durch die Schließung der Außenhülle ist die Abwehr von Umwelteinflüssen erreichbar.

Durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit gelang es dem Förderverein, Schloss Zerbst nach Jahrzehnten des Vergessens und Verdrängens wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rufen, die Menschen für den Erhalt des Gebäudes zu begeistern und es partiell mit neuem Leben zu füllen. Durch die im Jahr 2005 begonnenen Baumaßnahmen hat der Förderverein ein Zeichen gesetzt und deutlich gemacht, dass die Geschichte des Zerbster Schlosses weitergeschrieben wird. Dazu sind auch in Zukunft öffentliche Gelder, Spenden und weitere unterstützende Mitglieder notwendig.

Dirk Herrmann
Vorsitzender Förderverein Schloss Zerbst e. V.

In: Zerbster Heimatkalender 2007, Seite 120—125


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