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Die Zerbster Residenz und die Aktivitäten des Fördervereins Schloss Zerbst e. V.

Das Zerbster Schloss wurde als Wohn- und Regierungssitz der Fürsten von Anhalt-Zerbst in den Jahren 1681 bis 1753 errichtet. Viele europäische Künstler und Handwerker waren am Entstehen beteiligt. Die entwerfenden Baumeister waren Cornelis Ryckwaert (Niederlande), Giovanni Simonetti (Schweiz), Johann Christoph Schütze (Sachsen) und Johann Friedrich Friedel (Preußen). Die Residenz zählte bis zu ihrer Zerstörung 1945 zu den bedeutendsten Barockbauten in Mitteldeutschland. Diese Tatsache und dass Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst für einige Zeit bis zu ihrer Abreise nach Russland im Januar 1744 darin wohnte, verleihen dem Schloss noch immer einen hohen Status. Ihre Krönung zur russischen Zarin Katharina II. jährt sich in diesem Jahr zum 250. Mal. Als Katharina II. ging sie als eine der mächtigsten und schillerndsten Herrscherpersönlichkeiten des 18. Jahrhunderts in die Weltgeschichte ein.
Das Gebäude und die Bestände des 1921 eröffneten Schlossmuseums wurden am 16. April 1945 infolge eines amerikanischen Bombenangriffs fast vollständig vernichtet. Den schweren Zerstörungen schloss sich 1948 bis 1952 der politisch motivierte Abbruch von zwei Schlosstrakten an. Nur durch das Veto des Landeskonservators Sachsen-Anhalts blieben der östliche Flügel und ein Fünftel des Corps de logis erhalten. Die in den Jahren 1954/55 von der Landesdenkmalpflege geförderten sporadischen Sicherungen reichten nicht aus, die noch vorhandene Originalsubstanz zu bewahren. Das Desinteresse der städtischen Verantwortlichen, die zielgerichtete Verdrängung des historischen Hintergrundes aus dem Bewusstsein der Bevölkerung vor der politischen Wende und Vandalismus danach verschlechterten den Zustand der Ruine dramatisch. Die Untätigkeit des Investors, der das ruinöse Gebäude 1990 erwarb, sowie sechs Rückführungsansprüche verhinderten über viele Jahre jegliche Aktivität. Die Stadt Zerbst/Anhalt, der das Gebäude 1999 schlussendlich zugesprochen wurde, war infolge der einsetzenden Haushaltskonsolidierung nicht in der Lage, umfangreiche Sicherungen durchzuführen. Somit wurde am 7. März 2003 auf Initiative von Dirk Herrmann der Förderverein Schloss Zerbst e. V. gegründet.


  Sicherungsmaßnahme II Sicherungsmaßnahme IV, nördliche Rücklage des Ostflügels, Aufbau des Übergangsdaches,
Fotografie 2009
Der Förderverein Schloss Zerbst e. V.
Die Hauptziele des Fördervereins bestehen in der Bewahrung der noch vorhandenen barocken Schlosssubstanz und dessen äußere originalgetreue Wiederherstellung. Außerdem werden die kulturhistorischen Werte der Schlossanlage popularisiert und Veranstaltungen durchgeführt.
Noch im Gründungsjahr des Vereins wurde mit der Beräumung des Gebäudes, der Sicherung zum Schutz vor Vandalismus, werbetechnischen Maßnahmen sowie der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen begonnen. Zu dieser Zeit befand sich das Barockgebäude in einem desaströsen Zustand. In den Obergeschossen existierten nur vereinzelt Notdecken, intakte Dachabdichtungen fehlten gänzlich, Türen oder Fenster gab es nicht. Infolge von Witterungseinflüssen war die Bausubstanz bis ins untere Kellergeschoss beschädigt. Außerdem befanden sich viele Kubikmeter Bauschutt und Müll im Gebäude. Für die Planung und die Vorbereitung professioneller Sicherungsmaßnahmen sowie die Baubegleitung beauftragte der Förderverein ein Architekturbüro. Schließlich konnte im Jahr 2005 mit der Bewahrung des Bauwerks begonnen werden. Im Vordergrund standen der Einzug von Stahlbetondecken und das Aufbringen von Dachabdeckungen.

Die Sicherungsmaßnahmen am Schloss
Die Umsetzung der Sicherungsmaßnahme I erfolgte im Winterhalbjahr 2005/06. Dabei wurde das völlig marode, die Ruine zu einem Drittel überspannende Notdach - eine geteerte Stahlsteindecke von 1954/55 - neu abgedeckt. Ein weiterer Schwerpunkt bestand im Einzug moderner Stahlbetondecken im Bereich des Mittelrisalits oberhalb des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses. Die großen Decken sichern diesen Gebäudeteil statisch und erschließen das in seiner Grundstruktur erhalte Haupttreppenhaus wieder.
Zu Beginn des Jahres 2007 wurden im Rahmen der Sicherungsmaßnahme II zehn neue Decken oberhalb des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses in der Rücklage nördlich des Mittelrisalits eingezogen. Die Arbeiten in diesem Bereich des Ostflügels waren besonders dringlich, da dort keine Notdächer existierten. Trotz intensiver Bemühungen gelang es dem Vereinsvorstand nicht, Mittel für die 2007/08 geplante Sicherungsmaßnahme III zu akquirieren.
Im Winterhalbjahr 2008/09 fand die Sicherungsmaßnahme IV statt, die auf den vorangegangenen Arbeiten basierte und sich auf die obere Hälfte des nördlichen Teils des Ostflügels konzentrierte. Es entstanden fünf Stahlbetondecken oberhalb dieser Etage sowie die seit 1945 fehlenden Hauptgesimse der Hof- und Stadtseite. Ein flach geneigtes Übergangsdach bildet den Abschluss der nördlichen Rücklage.
Die Umsetzung der Sicherungsmaßnahme V erfolgte im Winterhalbjahr 2009/10. In der südlichen Rücklage des Ostflügels, neben dem Mittelrisalit, wurden oberhalb des ersten Obergeschosses fünf neue Stahlbetondecken inklusive Zuganker eingebaut und verleihen diesem Gebäudeabschnitt die notwendige Stabilität.
Im Winterhalbjahr 2010/11 konnte der erste Bauabschnitt der Sicherungsmaßnahme III realisiert werden, der schon für 2007/08 geplant war. Nach dem Abbruch von maroden Stahlsteindecken aus der Zeit 1954/55 im Südbereich des Ostflügels wurden drei neue Stahlbetondecken oberhalb des Erdgeschosses geschaffen. Außerdem entstand zwischen dem oberen Kellergeschoss und dem ersten Obergeschoss eine neue Treppenanlage. Der zweite Bauabschnitt der Sicherungsmaßnahme III schloss sich im Winterhabjahr 2011/12 an. Es wurden zwei Stahlsteindecken mit wesensfremden Betonunterzügen und zwei Stützwände, die sämtlich marode waren, abgebrochen. Danach erfolgte der Neueinzug von Stahlbetondecken. Die im vorangegangenen Abschnitt begonnene Treppenanlage wurde bis ins zweite Obergeschoss fortgeführt. Die Anträge für den dritten Teil der Sicherungsmaßnahme sind für 2012 gestellt. Die in Eigenleistung hergestellten provisorischen Türen und Fenster schützen die bearbeitete Bausubstanz vor Witterungseinflüssen, Tauben und ungebetenen Gästen. Außerdem verbesserte sich das äußere Erscheinungsbild des Schlosses ganz erheblich.
Sämtliche Sicherungsmaßnahmen konnten nur durch die Förderungen des Landes Sachsen-Anhalt, der Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt, des Landkreises Anhalt-Bitterfeld und der Stadt Zerbst/Anhalt realisiert werden. Die erforderlichen Eigenanteile resultierten aus Spenden, die die Vereinsmitglieder in unermüdlicher Arbeit sammelten. Parallel zu den Sicherungsmaßnahmen realisierte der Verein auch ungeförderte Projekte. Im Sommer 2008 erfolgte die denkmalgerechte Sanierung des sehr stark beschädigten Sandsteinfußbodens in der Eingangshalle. Dieser Erdgeschosssaal hat eine Grundfläche von 125 Quadratmetern und dient dem Förderverein als Hauptveranstaltungsort. Sämtliche bis zu 30 Zentimeter dicken Bodenplatten wurden aufgenommen, seitlich beschnitten, oberflächlich geschliffen und neu verlegt. Zerstörte Platten wurden durch analoges Sandsteinmaterial aus den Schlosskellern ergänzt.
Eine weitere eigenfinanzierte Maßnahme war die Errichtung einer neuen, modernen Toilettenanlage im Bereich des Erdgeschosses im Jahr 2009. Ein großer Raum, der bis zum Einzug der neuen Decke 62 Jahre lang schutzlos der Witterung ausgesetzt war, erhielt eine Zwischenwand, so dass zwei getrennte Bereiche entstanden. Nach dem Einbau von Fenstern und Türen erfolgte der innere Ausbau.
Im stark zerstörten Schlosshaupttrakt, in dem sich einst die Jugendzimmer von Katharina II. befanden, war ein Gewölbe aus der Zeit um 1690 mit einer Grundfläche von ca. 80 Quadratmetern durch ständige Bewitterung und Baumbewuchs so stark geschädigt, dass es im Winter 2009/10 zum Einsturz einer Gewölbekappe und weiteren Schäden kam. Zur Verhinderung des Gesamtverlustes erfolgte im ersten Halbjahr 2010 die Gewölbesanierung aus Vereinsmitteln. Nach Einschalung und Schuttentfernung wurden Fehlstellen ergänzt und haltbare Abdeckungen aufgebracht.

Kulturelle Veranstaltungen und die Zukunft des Schlosses
Der Förderverein bezieht die durch bauliche Sicherungen neu entstandenen Räume in die kulturelle Nutzung ein. Mit Ausstellungsbereichen, die sich über drei Etagen erstrecken, werden die Schlossbesucher über die Geschichte des Gebäudes und die Vereinstätigkeiten informiert. Besonders zu nennen sind drei Ausstellungsräume im Erdgeschoss, die 2006/07 entstanden. Dort werden Spolien des Schlosses und aus dem Museum gezeigt, die ständig ergänzt werden. Außerdem sind u. a. ein chinesischer Porzellanteller mit Allianzwappen aus dem Besitz der Fürstin Johanna Elisabeth, der Mutter von Zarin Katharina II. von Russland, und Produkte aus der Zerbster Fayencemanufaktur zu sehen. Einen Höhepunkt bildet das Zweite Fürstliche Vorzimmer im ersten Obergeschoss, das anhand historischer Aufnahmen und von Aktenbelegen im Jahr 2010 als Illusion in Originalgröße wiedererstand. Auch das vorgelagerte, 2011 ausgestaltete Erste Fürstliche Vorzimmer ist Ausdruck der ehemaligen fürstlichen Wohnkultur im Schloss. Unsere Partnervereine - der Internationale Förderverein Katharina II und die Internationale Fasch-Gesellschaft - sind mit eigenen Ausstellungen im Schloss vertreten.
Mit der kulturellen Nutzung durch den Förderverein Schloss Zerbst e. V. wurde dem Barockgebäude nach Jahrzehnten der Vernachlässigung, des Verfalls und des Leerstandes wieder Leben eingehaucht. Parallel zu den Ausstellungen finden seit der Vereinsgründung Veranstaltungen unterschiedlicher Ausrichtung statt: thematische Führungen, Vorträge, Konzerte und andere musikalische Darbietungen, Theatergastspiele, Filmabende, Tanzveranstaltungen, gesellige Abende mit Rahmenprogramm usw. Aktuell zählt der Förderverein Schloss Zerbst e. V. 228 Mitglieder aus ganz Deutschland, der Schweiz, den USA und Kanada. Detaillierte Informationen zum Verein enthalten die dreisprachig gestalteten Internetseiten unter www.schloss-zerbst-ev.de.
Für die kommenden Jahre sind weitere Sicherungsmaßnahmen zum Erhalt des denkmalgeschützten Zerbster Schlosses geplant, um den Verlust weiterer Originalsubstanz zu verhindern. Dazu bedarf es der weiteren finanziellen Unterstützung durch die Öffentliche Hand und anderer Förderer. Außerdem werden die Ausstellungsbereiche sukzessive vergrößert und die kulturellen Angebote erweitert. Parallel arbeitet der Vereinsvorstand daran, einen Investor mit einem geeigneten, die Öffentlichkeit zulassenden Konzept zu finden. Die Mitglieder des Fördervereins Schloss Zerbst e. V. setzen ihr bürgerschaftliches Engagement in hohem Maße fort, um das Barockgebäude, in dem Geschichte hautnah erlebbar ist, weiter mit Leben zu erfüllen und für nachfolgende Generationen zu bewahren.

Dirk Herrmann
Vorsitzender Förderverein Schloss Zerbst e. V.

In: Dresdner Neumarkt Kurier, Heft 2/2012, Dresden 2012 , Seite 24—27


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